Christian Volk JUM LVV2015 2 conv

 

Das JugendUmweltMobil, kurz JUM, ist das mobile Umweltbildungszentrum der Naturschutzjugend (NAJU) NRW. Das JUM reist durch ganz Nordrhein-Westfalen, um gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen die Natur vor der eigenen Haustür zu erkunden. Der vielseitig ausgerüstete Kleintransporter ermöglicht dabei z.B. praktische Naturschutzarbeiten, forschende-entdeckende Untersuchungen sowie Naturerlebnisaktionen. Die angebotenen Programme lassen sich sowohl der klassischen Umwelt- und Naturpädagogik als auch einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zuordnen. Das Angebot richtet sich primär an Kindertagesstätten, Grund- und weiterführende Schulen sowie öffentliche Einrichtungen und private Gruppen. Darüber hinaus steht es auch für landesweite Großveranstaltungen zur Verfügung, um mit informativen und partizipativen Mitmachständen das Augenmerk auf die Entwicklung unserer Umwelt zu richten.

 

Auftrag und Ziele des JUM
Das JUM-Team der NAJU NRW möchte junge und alte Menschen für die Natur, deren Schutz und das Thema Nachhaltigkeit begeistern. Der Klimawandel, das Insekten- und Artensterben und die Verschmutzung unserer Umwelt durch v. a. Plastikmüll sind nur einige Beispiele für allgegenwärtige Probleme einer nachhaltigen Entwicklung, mit denen wir konfrontiert sind und die wir daher mit unseren Programmen thematisieren. In den Bildungsprogrammen und bei den Mitmachständen werden die interdisziplinären Themenbereiche Biodiversität, nachhaltiger Konsum und Klimawandel sowohl für Kinder als auch für Jugendliche aufgearbeitet und es wird ihnen ein handlungsorientierter Zugang zu diesen Themen angeboten. Dabei liegen unsere Wurzeln in der Umweltbildung und -erziehung, jedoch haben wir uns in Richtung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung weiterentwickelt und möchten diese Weiterentwicklung stetig vertiefen und ausbauen.
Die NAJU NRW möchte mit dem Einsatz des JUM einerseits für die Verletzlichkeit unserer Natur und Umwelt sensibilisieren, andererseits Handlungsoptionen zum Schutz der Natur und Umwelt für jede einzelne Person aufzeigen. Um Menschen den Zugang zu einem nachhaltigen Lebensstil zu ermöglichen, steht nicht nur die Wissensvermittlung über die Bedeutung der Natur und die Folgen des Handelns jedes einzelnen im Fokus unserer Arbeit, sondern auch die Schaffung positiver Erlebnisse zur Verbesserung der Einstellungen. Alle unsere Programme bieten den Teilnehmer‘*innen daher direkt die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln. Dadurch, dass wir mit dem JUM zu den Schulen, Vierteln und Lebensräumen der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen kommen, zeigen wir ihnen immer wieder die Bezüge zu ihrer Lebenswirklichkeit. Diesen Bezug sprechen wir in unseren Angeboten immer direkt an und Ziel ist es, die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen im Sinne einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung zu adressieren.

 

Werteorientierung
Grundlage unserer Wertorientierung ist das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung und dabei das Modell der starken Nachhaltigkeit, wie es in Abbildung 1 dargestellt ist. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sollen nur Entscheidungen getroffen werden, die sowohl die Bedürfnisse aller Menschen dieser Generation (intragenerationelle Gerechtigkeit) als auch die Bedürfnisse aller Menschen künftiger Generationen (intergenerationelle Gerechtigkeit) berücksichtigen. Eine Entscheidung ist nur dann nachhaltig, wenn sie die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit beachtet: Ökologie, Gesellschaft, Ökonomie. Nachhaltiges Handeln schützt die Umwelt, ist sozial verträglich und ökonomisch sinnvoll. Wichtig ist für uns, dass diese Dimensionen jedoch nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern immer die Interaktionen und Interdependenzen dieser beleuchtet werden müssen. Für das JUM ist außerdem essenziell, dass die Ökologie, das heißt unser Planet, unsere natürliche Umwelt, die Ressourcen, das Klima und damit die planetaren Grenzen, Grundlage aller Entscheidungen sein sollen. Denn sie ist Grundlage unserer Gesellschaft, der Kultur und der Wirtschaft. Ihr Schutz steht daher an erster Stelle. Deshalb richten wir sowohl unser eigenes Handeln beim Betrieb des JUM als auch die Bildungsprogramme anhand des Modells einer starken Nachhaltigkeit aus und verfolgen damit den „whole institution approach“.

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Abbildung 1: Vorrangmodell der nachhaltigen Entwicklung, welches die drei miteinander verschränkten und voneinander abhängigen Dimensionen zeigt, sowie die räumliche und zeitliche Dimension (FUB 2014)

 

Bezug zu BNE
Das JUM hat sich zu einem Anbieter einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung etabliert. Die Wurzeln der Arbeit des JUM und der NAJU liegen ursprünglich in der Umweltbildung und -erziehung. Darüber hinaus sind viele Programme und Projekte an einer BNE ausgerichtet. Der Fokus auf eine BNE ist beim JUM in den letzten Jahren stark angestiegen und immer mehr Programme wurden und werden anhand des Leitbilds und des Kompetenzmodells konzipiert und weiterentwickelt, wie zum Beispiel das Bildungsprogramm “Trashbusters NRW” für weiterführende Schulen zeigt. Generell unterscheiden wir zwischen drei Arten von Bildungsangeboten:

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Wir möchten Kindern und Jugendlichen aus urbanen Gebieten (primäre) Naturerfahrungen ermöglichen

und ihnen einen positiven Bezug zu dem Thema Natur und Umwelt anbieten.

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Wir möchten Kindern und Jugendlichen Wissen zu Natur und Umwelt vermitteln

und sie an das Thema Naturschutz heranführen.

Hier verorten wir uns in der klassischen Umweltbildung.

 BNE_kleiner.png    

Wir möchten mit Kindern und Jugendlichen die Themen und Probleme einer nachhaltigen Entwicklung erarbeiten, analysieren

und diskutieren und mit Ihnen zusammen Lösungsmöglichkeiten für ihre Lebenswirklichkeit erarbeiten und testen.

Hier verorten wir uns im Bereich einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung.

 

Diese Entwicklung zeigt sich auch am Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs): Im Rahmen der klassischen Umweltbildung beschäftigen wir uns mit dem Leben unter Wasser (14, z.B. Gewässerqualität und Saprobienindex) und dem Leben an Land (15, z.B. Tiere des Waldes). Die Programme wurden aber auch hinsichtlich der Themenfelder der nachhaltigen Entwicklung erweitert. So zeigen die Programme Captain Plastique, Trashbusters NRW oder Naturkosmetik einen starken Bezug zu nachhaltigem Konsum und Produktion (12) sowie teilweise auch einen Bezug zu nachhaltigen Städten und Gemeinden (11). Folgende SDGs finden sich wir in unseren Bildungsprogrammen wieder (siehe auch Abbildung 2):
• 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
• 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
• 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
• 14 Leben unter Wasser
• 15 Leben an Land

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Abbildung 2: Fünf von 17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission e. V., o.J.), welche in den Bildungsangeboten des JUM thematisiert werden.


Neben dem Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen orientieren sich die Bildungsprogramme des JUM auch immer an den sechs Merkmalen eines BNE Lernprozesses der BNE Leitlinie von NRW (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2019): Unsere Themen und Programmangebote behandeln aktuelle und relevante Fragen, die sowohl gesellschaftlich wie fachwissenschaftlich diskutiert werden. Bei der Thematisierung unserer Fragestellungen mit den Schülerinnen versuchen wir alle Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung zu betrachten und auch die Beziehungen und Verbindungen der Dimensionen untereinander zu berücksichtigen. Neben der Betrachtung der Dimensionen ermöglichen wir den Lernenden auch das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven, Interessen oder Denkweisen. Bei dem Erwerb von Wissen ist uns wichtig, dass die Schülerinnen die Vernetztheit, Systematik und Begrenztheit des Wissens im Bereich einer nachhaltigen Entwicklung reflektieren. Wenn wir die Begrenztheit des Wissens thematisieren, beziehen wir auch die Unsicherheiten, Widersprüche und Risiken mit ein, die bei den Fragestellungen einer nachhaltigen Entwicklung von Bedeutung sind. Unser Ziel ist es, mit den Schülerinnen Diskurse zu führen, Dilemmata zu entdecken und kreative Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. Damit wir dabei immer die Perspektive der Schülerinnen im Fokus haben, setzen wir bei unseren Angeboten auf eigenverantwortliche und partizipative Lernprozesse. Generell ist für uns die Förderung des systemischen Denkens wichtig, eine wichtige Rolle unserer pädagogischen Arbeit nimmt hierbei vor allem die Vermittlung der Bedeutung lokaler Entscheidungen für die globalen Auswirkungen ein. Des Weiteren arbeiten wir kompetenzorientiert. Hierbei beziehen wir uns auch auf die Leitlinie BNE des Landes NRW und möchten in den verschiedenen Programmen verschiedene Kompetenzen fördern. So steht zum Beispiel im Programm „Mikroplastik & Kosmetik“ das Entwickeln und Ausprobieren von Lösungsansätzen im Fokus, aber auch die Reflexion der Grenzen des eigenen Handelns. Bei der Leitlinie BNE schätzen wir die Offenheit und Ausgewogenheit der Leitlinie, die es uns ermöglicht, eigene Kompetenzerwartungen zu formulieren.

 

Spezifisches Profil des JUM, Zielgruppen und Kooperationen
Das Alleinstellungsmerkmal des JUMs ist die mobile Arbeit und die daraus resultierende Vielseitigkeit: Die Schüler*innen, die Kinder und Jugendlichen können die jeweilige Thematik mit uns in Ihrer Lebenswelt erleben, erfahren und entdecken. Im Gegensatz zu vielen anderen außerschulischen Lernorten müssen sich unsere Gruppen oder Schulklassen nicht auf den Weg zu uns machen, sondern wir besuchen sie bei sich vor Ort und passen unsere Bildungsprogramme den jeweiligen Gegebenheiten an. Durch den Bezug zu dem eigenen Lebens- und Schulort bzw. zu ihrer Lebenswirklichkeit und der Stützung auf die Theorie des place-based-learnings (Prozess, Menschen mit ihrer eigenen lokalen, kulturellen, Umwelt Natur besser zu verbinden und Engagement dafür zu fördern (Green et al. 2013)) erhoffen wir uns, die Ziele der einzelnen Bildungsprogramme und der Bildung für nachhaltigen Entwicklung besser und langfristiger zu erreichen.
Die generellen Zielgruppen des JUM sind Kinder und Jugendlichen diverser Bildungseinrichtungen, wie Schulen und Kindertagesstätten. Unsere Angebote einer BNE beziehen sich vor allem auf Schüler*innen der Grund- und weiterführenden Schulen. Für Kindertagesstätten bieten wir primär Programme der Umweltbildung und der Naturerfahrung an, aber auch hier haben wir einige Programme, wie Captain Plastique, in denen die Kinder spielerisch das Thema Müll aus Sicht einer nachhaltigen Entwicklung erfahren können. Für größere Veranstaltungen bieten wir Mitmachstände an, in denen wir gleichermaßen Kinder, Jugendliche und Erwachsene ansprechen möchten. Vor allem der Mitmachstand zu Trashbusters NRW und Naturkosmetik zeigt Merkmale und Ziele einer BNE.
Das JUM strebt langfristige Kooperationen an, bei denen alle Partner profitieren. Wir haben unter anderem Kooperationen mit dem Umweltamt Düsseldorf, dem Wildpark Düsseldorf sowie im Rahmen unterschiedlichster Projekte mit dem NABU. Weitere langfristige Kooperationen werden angestrebt. Kooperationen sind für das JUM von großer Bedeutung, da sie eine längerfristige Planungssicherheit ermöglichen.

 

Das Leitbild im beruflichen Alltag
Wie zuvor beschrieben, richten wir unsere Bildungsprogramme an dem Modell der starken Nachhaltigkeit und an der Leitlinie BNE des Landes NRW aus. Wir richten aber nicht nur unsere Bildungsprogramme, sondern unsere gesamte Arbeit an dem Modell der starken Nachhaltigkeit aus. Das bedeutet für unsere Arbeit, dass wir z.B. unsere Materialien für das JUM möglichst häufig wiederverwenden, dass unsere Elektrogeräte nicht neu, sondern gebraucht gekauft werden, dass wir möglichst naturbelassene, regionale und zertifizierte Produkte verwenden. Dies zeigt sich auch bei der Beschaffung von Materialien für unsere Bildungsangebote: Bei dem Kauf von Stofftaschen für das Programm „Captain Plastique“ achten wir beispielsweise auf ökologische und fair-trade Siegel und bei den Zutaten für Kosmetikprodukte achten wir unter anderem auf Regionalität und ökologische Siegel. Hierzu befinden wir uns in einem ständigen Prozess und einer Weiterentwicklung. In Zusammenarbeit mit dem NABU NRW wurde deshalb auch eine Nachhaltigkeitsleitlinie erarbeitet, die uns einen Orientierungsrahmen für unsere Arbeit rund um das JUM gibt.

 

Quellen
Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (Hrsg.) (o.J.): Agenda Bildung 2030: Bildung und die Sustainable Development Goals. Online unter: https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/bildung-und-die-sdgs (letzter Aufruf: 11.01.2022).
FUB (2014): Positionspapier. Online unter: https://www.education21.ch/sites/default/files/uploads/pdf-d/bne/dossiers_zugaenge/2011_FUB- REE_Positionspapier-Umweltbildung.pdf (letzter Aufruf: 30.06.2022).
Green, M., Somerville, M. & Potts, M. (2013): A report for participating schools and the wider school communities in Australia about the implementation of place-based sustainability curriculum.
Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2019): Leitlinie Bildung für nachhaltige Entwicklung. Schule in NRW Nr. 9052. Online unter: https://www.schulministerium.nrw/sites/default/files/documents/Leitlinie_BNE.pdf (letzter Aufruf: 11.01.2022).